• Beitrag veröffentlicht:5. August 2021
  • Beitrags-Kategorie:Allgemein
  • Lesedauer:6 min Lesezeit

Das Fasziengewebe zieht sich

durch die Muskulatur des Menschen

wie die weiße Haut das Fruchtfleisch

einer Apfelsine durchzieht.

Das Wort Faszie kommt aus dem Lateinischen Fasia = Band und wir finden sie als eine Art Spannungsnetzwerk überall in unserem Körper. Dieses weißliche, reißfeste und kollagenhaltige Gewebe ist etwa 0,5 – 3 mm dick. Sie umhüllt unsere Organe, Knochen, Gefäße, Sehnen und Bänder sowie einzelne Muskelstränge aber auch Nervenzellen. Das netzartige Gewebe hält alles in unserem Körper an seinem Platz. Ohne Fasziengewebe könnten wir gar nicht existieren und würden nur aus vielen kleinen und größeren Einzelteilen bestehen. Sie stellt quasi die Verbindung zu den starren Knochen und der flexiblen Muskulatur her. Die Mischung aus Kollagen, Wasser und Klebstoffen machen die Faszie elastisch und widerstands- und auch gleitfähig. Unzählige Bewegungssensoren befinden sich an und auf der Faszie. Damit gehört dieses Gewebe zu den wichtigsten Organen unserer Wahrnehmung. Sie sorgt dafür, dass unsere Muskulatur ihre Arbeit verrichten kann und diese miteinander kooperieren können.

Von Kopf bis zum Fuß ist alles spiralförmig mit unzählbaren Linien miteinander verbunden. Die Faszie, es ist tatsächlich nur eine! hat keinen Anfang und kein Ende, gibt unserem Körper Halt und Struktur. Aber sie kann noch weit aus mehr als nur unseren Körper zusammenzuhalten.

Im Unterhautgewebe ist die Faszie eher locker, speichert Fett und Wasser und hat die Funktion eines Puffers. Je tiefer wir ins Innere gelangen, desto faseriger wird sie. Dort umschließen sie jeden einzelnen Muskel, die Knochen und Gelenke aber auch Bänder, Sehnen und Gelenkkapseln.

Faszien und Rückenschmerzen

Mittlerweile weiß man, dass verklebte, verhärtete, verklumpte Faszien auch entscheidend an der Entstehung u.a. von Schulter-, Nacken- aber ganz besonders auch von Rückenschmerzen sind. Verklebte, verfilzte Faszien fühlen sich ähnlich an wie verspannte Muskulatur – wir nehmen sie dann als Spannungsschmerz wahr. Die eigentliche Ursache für Rückenbeschwerden finden wir aber in den Faszien, vor allem aber in der großen Rückenfaszie. Sie können sich „verkürzen“, verhärten und sogar entzünden. Denn die Nervenzellen werden an der Wirbelsäule eingeklemmt und lösen die Schmerzen aus, die sich bis zum Kopf hinziehen können. Nicht selten habe ich in der Schmerzbehandlung auch Migränepatienten.

Spannend ist es in meinen Kursen zu beobachten, dass schon alleine nach einer Behandlung der Fußsohlen, also die Plantarfaszie, die Vorwärtsbeuge oftmals bis zu 10 cm weiter möglich wird.

Der Humanbiolboge und Psychologe Dr. Robert Schleip hat an der Universität in Ulm seine eigene Faszien-Forschungseinheit. Seit bereits 1980 untersucht er die Auswirkungen der Faszien auf den menschlichen Körper. Mit seinem Team fand er heraus, dass nicht die Muskeln an sich die Schmerzen der auslösende Faktor sind, sondern die Faszie, die die Muskelstränge umschließt. Bei seinen Arbeiten hat er ebenfalls festgestellt, dass die Faszien auch auf psychischen Stress reagieren. Sie ziehen sich dann zusammen und verhärten. Fühlen wir uns gestresst, so geraten die Faszien unter zu hoher Spannung und genauso können sie sich bei innerer Ruhe entspannen.

Zahlen – Daten – Fakten

  • Faszien bestehen hauptsächlich aus Protein und 75% Wasser
  • ca. 20 kg Faszien haben wir im Körper
  • ca. 0,5 – 3 mm Dicke
  • Neubildung des Gewebes kann je nach Alter 6 bis 24 Monate dauern
  • Faszien haben 6 mal mehr Sinnesrezeptoren als Muskeln
  • 1/4 des Körperwassers ist in dem Gewebe gespeichert
  • bei Schmerzen ist die Gleitfähigkeit der Faszien ist bis zur Hälfte reduziert

Das unterschätzte Gewebe

Faszien sind mit zahlreichen Rezeptoren ausgestattet. Diese Schaltstellen reagieren auf Druck, Dehnung, Muskelanspannung und machen das Faszien-Netzwerk zu einem wichtigen Sinnesorgan für die Körperwahrnehmung. 
Das Fasziengewebe ist ein entscheidender Teil bei Bewegungsabläufen. Sie haben die Fähigkeit Energie zu speichern um sie dann wie eine Sprungfeder frei zu setzen.
Das Gleiten der Fasern sorgt für eine Verteilung der Nährstoffen und ist am Abbau von Abfallprodukten beteiligt.
Die Lymphflüssigkeit dient dem Transport von wichtigen Auf- und Abbauprodukten – verklebte Faszien verhindern
Bewegung und eine Massage wirkt sich stimulierend auf die Bindegewebszellen und werden zum Ab- bzw. Aufbau der Strukturproteine angeregt.

Use it or loose it

Das Fasziengewebe befindet sich unter ständigem Auf- und Abbau. Nicht benutztes Gewebe verklebt und verfilzt. Die Folge sind eingeschränkte und schmerzhafte Bewegungsabläufe. Genutztes Gewebe wird oder bleibt elastisch und belastetes Gewebe wird kräftig. Je nach Sportart sehen die Faszien anders aus. Das eines Sprinter beispielsweise hat eine ganz andere Elastizität und Schnellkraft.

Vorteile schaffen durch Bewegung – wer rastet der verklebt

Faszien trainieren wir mit Bewegung, Druck- und Zugbelastung. Aber auch mit Ausrollen und Auspressen.
Die Bindegewebszellen werden so zum Ab- und Aufbau neuer Strukturen stimuliert. Werden Faszien allerdings zu schnell gedehnt, besteht die Gefahr, dass sie reißen – der häufigste Grund einer Bindegewebsverletzung. Wird die Dehnung hingegen langsam durchgeführt, so behält sie die Länge bei. Ein Faszientraining macht unsere Sehnen und Bänder belastbarer und schützen uns vor Verletzungen. Unsere Koordination und Beweglichkeit verbessert sich und Muskeln können besser arbeiten. Im Training dehnen wir möglichst lange Muskel-Faszien-Ketten in verschiedene Winkel und Richtungen statt isolierte Muskelgruppen. Auch Schmerzen in den Gelenken und Bandscheiben können durch entsprechendes Training verringert werden.

Wir Menschen haben einen Bewegungsapparat und keinen Sitzapparat

Durch langes und zu häufiges Sitzen verkürzen sich im Laufe der Zeit die Hüftbeugestrukturen. Diese verlaufen quer durch das Becken, von der Lendenwirbelsäule bis zum Oberschenkel. Durch die Spannung kann es zu Verspannungsschmerzen im Unterleib, Leistengegend und auch im Darm kommen. Das wiederum beeinflusst die Atmung, die Verdauung und verlangsamt den Stoffwechsel. Auch die Gesäßmuskulatur kann sich durch das zu häufige und lange Sitzen verhärten und den Ischiasnerv einklemmen oder das ISG-Gelenk blockieren. Mit entsprechender Behandlung und Dehnungsübungen können wir dem entgegenwirken.

Ernährung

Eine nährstoffreiche und ausgewogene Ernährung mit Spurenelementen, wie Kupfer, Zink und Vitaminen sind auch für das Fasziengewebe essentiell. Die Grundsubstanz des Bindegewebes bieten die „guten“, langkettigen Kohlenhydrate. Bei der Menge der Kohlenhydrate kommt es immer auf die Art und Häufigkeit der Belastungen an. Wie oben erwähnt bestehen die Faszien hauptsächlich aus Proteinen und Wasser. Da unser Körper keine Wasserreserven hat, müssen wir regelmäßig für Nachschub sorgen. Nur nicht zu viel auf einmal! Sonst können Mineralien ausgeschwemmt werden.
Silizium regt die Kollagenproduktion an und hilft beim Aufbau der Knochen und Knorpel. Besonders reich an Silizium sind Süßkartoffeln, Petersilie und auch Spinat. Antioxidantien in vollreifem Obst und Gemüse helfen bei Entzündungen.
Vitamin C wird für die Kollagenproduktion des Bindegewebes benötigt und ungesättigte Fettsäuren (Omega3 und Omega 9) unterstützen die Struktur der Faszien. Ein zu hoher Anteil an Einfachzucker bzw. zweifachzucker lässt die Faszien brüchig werden.

Quellenangabe:
https://www.arte.tv/de/videos/070788-000-A/faszien-geheimnisvolle-welt-unter-der-haut/
Bücher: Robert Schleip; „Faszien in Sport und Alltag“; Thomas W. Myers; „Anatomy Trains“